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KOMMUNISTISCHE PARTEI ST. PÖLTEN: Und es gibt sie doch


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KOMMUNISTISCHE PARTEI ST. PÖLTEN: Und es gibt sie doch

Text Andreas Reichebner
Ausgabe 02/2015

Es gab schon mal bessere Zeiten für die KPÖ in St. Pölten. Dieser Eindruck drängt sich dem Besucher nahezu auf, wenn man im Hauptquartier der Kommunistischen Partei St. Pölten in der Andreas-Hofer-Straße zu Gast ist.

Einzig und allein der Landesparteisekretär der kommunistischen Partei Niederösterreichs Erich Stöckl verrichtet hier hauptberuflich seine Arbeit. Zwischen der, die sechziger und siebziger Jahre atmenden Büroeinrichtung einlogiert, verfolgt der gemäßigte Linke, wie er sich selbst bezeichnet, umtriebig seine Vision nach einer besseren, gerechteren Gesellschaftsordnung. Agitationsplakate an den Wänden und den hohen, palaisartigen Türen zeugen von der aktuellen Tätigkeit, den politischen Positionen der Kommunistischen Partei. „Rettungsschirme für Menschen statt für Banken“, „Widersprechen auch im Parlament“ und „Privatisierungen stoppen“ ist da etwa zu lesen. Viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter gibt es nicht mehr, der Parteiapparat ist nach dem verlorenen NOVUM-Prozess der KPÖ, den sie gegen das wiedervereinigte Deutschland führte und 2003 endgültig verlor, mehr oder weniger auf freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgebaut. Denn nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin in letzter Instanz ging der KPÖ ein dreistelliger Millionenbetrag verlustig. Das zog den Ausverkauf der einst reichen Partei nach sich, ein Kahlschlag unter den Angestellten folgte, der Globus-Verlag wurde etwa aufgelöst und etliche Immobilien verkauft. „Wir haben beim Prozess den Eindruck gehabt, dass sich der deutsche Staat auf die Richter draufgesetzt hat“, erinnert sich Stöckl an jene für die gesamte Partei schicksalhaften Tage.
Getroffen hat das umstrittene Urteil natürlich auch das St. Pöltner Büro, wo neben der Parteizentrale früher auch die Redaktion der St. Pöltner Nachrichten, eines Teiles der NÖ Rundschau, die damals vom kommunistischen Globus-Verlag herausgegeben und 2000 vom Niederösterreichischen Pressehaus übernommen wurde, residierte. Herrschte ehemals hektische Betriebsamkeit, arbeitet Stöckl nun weit jenseits der 40-Stunden-Woche, um das Wunschbild einer sozialistischen Gesellschaft auf demokratischem Wege zu verwirklichen.
So ruhig war es um die KP in St. Pölten aber nicht immer, schließlich stellte man auch einmal den Bürgermeister in der Stadt. Vor 70 Jahren, als Franz Käfer, damals als Heizer bei der Glanzstoff tätig, vom russischen Stadtkommandanten am 13. Mai 1945 zum obersten Bürger der Stadt ernannt wurde. Käfer, 1891 in Ederding bei Herzogenburg geboren, war schon 1927 als Sozialdemokrat in den Gemeinderat gewählt worden und seit 1932 Schutzbundkommandant von Wagram. Während des österreichischen Bürgerkrieges, der Februarkämpfe 1934, wo der „rote“ Republikanische Schutzbund der Exekutive der Diktaturregierung von Engelbert Dollfuß und den Heimwehrverbänden gegenüberstand, wurde Käfer verhaftet. Nach seiner Freilassung trat er der seinerzeitig verbotenen KPÖ bei.
Ein in diesen Tagen und Jahren oft erlebbares Phänomen, dieser Wechsel von der Sozialdemokratie zur KPÖ. Davon kann auch der St. Pöltner Kulturdoyen Helmut Weber berichten: „Mein Vater war in den 30er-Jahren sozialdemokratischer Gemeinderat in St. Pölten, nach den Februarunruhen wechselte er zu den illegalen Kommunisten und wurde später Stadtrat in Berndorf.“ Der gemäßigte politische Kurs war vielen ehemaligen sozialdemokratischen Anhängern ein Dorn im Auge.
In dieser ursprünglichen Nähe, beide Lager gründeten sich ideologisch mehr oder weniger auf dem Kommunistischen Manifest, sieht Erich Stöckl auch den Grund der bis weit in die 80-er Jahre auftretenden Spannungen zwischen Sozialdemokratie und der Kommunistischen Partei in St. Pölten: „Im Grunde hatten unsere Politiker mit den Vertretern der Volkspartei ein besseres Gesprächsklima. Daran waren nicht nur unsere Leute schuld, und es war nicht überall in den Gemeinden so.“
Aber noch einmal zurück zu Franz Käfer, der in den Kriegsjahren auch mehrere Jahre im KZ Buchenwald inhaftiert war. Die Gemeinderatsprotokolle seiner Bürgermeisterzeit lassen den Eindruck eines sehr konstruktiven und sachlichen Arbeitsklimas erkennen. Als er amtierte, saßen zehn Vertreter der KPÖ, zehn Vertreter der SPÖ und sechs der ÖVP in St. Pöltens Stadtparlament. Diese Phase könnte man auch als eine Glanzzeit der Kommunistischen Partei St. Pöltens bezeichnen, weil man beim Wiederaufbau der Stadt federführend beteiligt war.
„Wir dürfen aber auf keinen Fall die vielen kommunistischen Widerstandskämpfer vergessen, die ihren Kampf für ein freies Österreich und gegen das nationalsozialistische Regime mit dem Tode bezahlt haben“, so Stöckl. Dabei könnte er an Persönlichkeiten wie den St. Pöltner Franz Schmaldienst gedacht haben. Der Onkel des schon erwähnten Helmut Weber wurde 1943 mit zehn weiteren Angeklagten aus St. Pölten und Traisen wegen Vorbereitung zum Hochverrat geköpft. Oder an den kommunistischen Glanzstoff-Arbeiter Anton Klarl, der in der bekannten Widerstandsgruppe Kirchl-Trauttmansdorff gegen den Nationalsozialismus in St. Pölten, führend agierte. Verraten von einem Spitzel, wurden die Mitglieder der Gruppe verhaftet und am 13. April im Hammerpark, zwei Tage vor Einmarsch der Roten Armee, von zwölf SS-Angehörigen mit Genickschuss ermordet.
Dieser aus jenen Tagen immanente Antifaschismus ist noch immer im Parteiprogramm der KPÖ prominent vertreten. „Wir sagen: Gib Nazis keine Chance“, kann Stöckl aus dem Forderungsprogramm der KPÖ 2007 anlässlich ihre 90-jährigen Bestehens zitieren.
Seit der Gemeinderatswahl 1950, wo der amtierende Bürgermeister Franz Käfer mit dem Linksblock (LB), einer Wahlgemeinschaft aus Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) und der Linkssozialen Partei, antrat, ging es aber stetig bergab. Erreichte man damals noch sieben von 42 Mandaten – der Sozialdemokrat Wilhelm Steingötter wurde zum Bürgermeister gewählt –, musste sich die KP St. Pölten fünf Jahre später mit fünf Mandaten begnügen. Die Wahlgemeinschaft Österreichische Volksopposition (VO), aus KPÖ und der Linkssozialen Partei, trat ebenfalls noch unter Franz Käfer an. 1960 gab es für die KPÖ, wieder unter Käfer, abermals fünf Mandate, 1965 fiel man auf vier Mandate zurück, 1970 auf zwei Mandate. Diese hielt man bis 1977, danach gab es bis 1986 ein Mandat. Beim Urnengang im Jahre 1986, die KPÖ wurde vom Journalisten Ludwig Marzi angeführt, verlor man das letzte Mandat – lediglich an die 30 Stimmen fehlten auf den Einzug in den Gemeinderat. Seitdem ist man darin nicht mehr vertreten. 1991 versuchte es Marzi mit dem Projekt „Linke Hauptstadtliste“, 1996 und bei der Nachwahl 1997 standen Rudolf Wilhelm und der Journalist Dieter Parzer einer „Offenen Liste der KPÖ“ vor und 2001 schaffte die KP mit Wilhelm und Josef Stingl nur mehr 0,83 Prozent der Stimmen. Seitdem ist die KP St. Pölten bei Gemeinderatswahlen nicht mehr angetreten und Rudolf Wilhelm gilt als der letzte KP-Chef von St. Pölten.
„Dabei haben wir durchaus immer glänzende Kommunalpolitiker in unseren Reihen gehabt“, denkt Stöckl da an den Stadtrat Anton Eder, „der war gewieft, hat sehr viel Gespür und Erfahrung gehabt, hat sich etwa mit Budgetierung seht gut ausgekannt.“
Die Partei, auch die St. Pöltner Abteilung, musste ob ihrer Nähe zum sowjetischen Kommunismus immer wieder viel Kritik einstecken. „Beim Aufbau der KPÖ hat man viele stalinistische Strukturen übernommen“, so Stöckl, ist er sich der sehr umstrittenen Zeit bis in die Siebziger-Jahre bewusst. Anfangs dieses Jahrzehnts forderte man aber die Überwindung der kapitalistischen Gesellschaft erstmals mit einem „Sozialismus in Österreichs Farben“. Noch einen Schritt weiter ging man dann 1994 im politischen Papier „Grundzüge einer Neuorientierung“. Dort erfolgte endlich die ausnahmslose Distanzierung vom Stalinismus und die Installierung des Denkansatzes einer sozialistischen Gesellschaft, erreicht auf demokratischem Wege. „Wir sind schon lange keine Partei wie in den 50er- und 60er-Jahren“, zeigt Stöckl jenen unbeugsamen und idealistischen Geist, der moderne Linksparteien in vielen europäischen Ländern, wie etwa Griechenland und Spanien wieder für das Volk wählbar machen lässt. Allein, beim österreichischen Volk ist es noch nicht angekommen. Zu sehr verhaftet ist hier das Bild des bösen und radikalen Kommunisten. Zu wenig Information dringt nach Stöckls Meinung ins heimische, kollektive, politische Verständnis. „Obwohl wir nicht viele personelle Ressourcen stellen können, hatten wir aber 2004 einen erheblichen Anteil bei der Gründung der Europäischen Linkspartei“, sieht Stöckl, der nie radikal war und eher mit besseren Argumenten überzeugen will, eine neue Chance für die Linke. Schließlich ist der linke Zusammenschluss die fünftstärkste Partei im Europäischen Parlament. Alexis Tsipras, Syriza-Chef, derzeitiger griechischer Ministerpräsident und zugleich stellvertretender Parteivorsitzender der Europäischen Linken, war etwa im September 2013 zu Besuch bei der KPÖ.
„Wir genießen als kleine Partei hohes Ansehen im europäischen Raum“, gibt sich Stöckl sichtlich stolz, „in den letzten ein, zwei Jahren kommen wieder mehr Leute zu uns, wollen sich informieren, möchten Kontakt. Hauptsächlich sind es Schüler und Studenten aus dem mittelständischen Bereich, einer davon, der 18-jährige Samuel Seitz wurde gerade zum Bezirkssprecher der KPÖ St. Pölten gewählt „Die Leute sind auf der Suche, spüren, es geht in den Graben. Viele stellen sich die Frage, wie kann man den Kapitalismus erträglicher machen, wie kommen wir zu einer gerechteren Gesellschaftsordnung“, so der moderate Erich Stöckl.
Nur, dass auch die Kommunistische Partei dafür praktizierbare Lösungen anbieten könnte, daran glauben die österreichischen Wähler nicht sehr. Bei den letzten Nationalratswahlen 2013 erreichte die KPÖ gerade mal knapp über ein Prozent der Stimmen.
Ja, in Österreich Kommunist zu sein, ist keine leichte Sache. Das gilt auch für Erich Stöckl, der Zeit seines Lebens mit gesellschaftlichen Ressentiments zu kämpfen hatte. Auch wenn man in jener Stadt sitzt, „in der es meines Wissens schon 1918 eine kommunistische Gruppe, also kurz nach der Oktoberrevolution in Russ­land, gegeben hat.“
"Der junge Kommunist"
Mit 18 Jahren wurde Samuel Seitz zum Bezirkssprecher der KPÖ St. Pölten gewählt. Wir plauderten mit dem Politiker über kommunistische Vergangenheitsbewältigung, linke Politik und griechische Euphorie.
Wie kamen Sie als sehr junger Mensch zur KPÖ?
Mir ist früh aufgefallen, dass viele Dinge schief laufen. Auch anderen Leuten fällt das auf, nur meistens geben sie sich damit zufrieden – es fehlt der Wille etwas zu ändern. Da habe ich beschlossen, dass man nur von der politischen Seite her etwas ändern kann und das war letztlich meine Motivation in die Politik zu gehen. Zur KPÖ bin ich durch einen Artikel über die steirische KPÖ gestoßen. Dort gibt es eine Gehaltsobergrenze für Mandatare, die etwa bei 2.200 Euro liegt. Alles darüber geben sie ab in einen Sozialfonds und ich hab mir gedacht ja, so kanns funktionieren. Und zum Alter: Es gibt ein paar Leute in meinem Alter, also ganz so schlimm ist der Altersschnitt nicht. Aber ich bin das jüngste Mitglied in St. Pölten und ich war sogar eine zeitlang das jüngste Mitglied der KPÖ bundesweit.
Bei der EU-Wahl sammelten Sie erste Wahlkampf-Erfahrung?
Es war nicht mein erster Wahlkampf, nur der erste, bei dem ich auf der Liste stand. Was ich mitnehmen kann ist, wie man das aufzieht. Wie man an Leute auf der Straße herangeht, wie man Wahlkämpfe organisiert, welche Themen die Leute interessieren ... etwas, das im EU Wahlkampf nicht geklappt hat. Aber aus Fehlern soll man ja lernen. Damals war für uns die Hypo wichtig, das ist an den Leuten aber vorbei gegangen. Sie merken es zwar schon und es regt sie auf, aber das ist so weit weg von ihrer Lebensrealität, da redet man relativ schnell an den Leuten vorbei.
Für die europäische Linke gibt es ja derzeit genügend Themen. Wie steht die KPÖ zum TTIP-Freihandelsabkommen?
Wir lehnen es natürlich ab. Was uns daran am Heftigsten stört, ist das Klagsrecht für Konzerne. Sollte das durchgehen, könnte ein amerikanischer Konzern, wo Bezahlung und Sozialleistung meist schlechter sind, das in Europa einklagen. Was völlig absurd ist.
Wurde die Griechenland-Wahl diskutiert?
Es waren alle froh darüber, dass es nach langer Zeit gelungen ist einen linken Wahlsieg zu verbuchen. Die Meinungen, vor allem jetzt nach der Regierungsbildung mit den rechtspopulistischen ‚Unabhängigen Griechen‘, schwanken aber zwischen notwendiger Solidarität und Resignation. Aber die Euphorie überwiegt. Letztlich war es die einzig mögliche Regierung, die wirklich etwas gegen Spardiktate und Sozialabbau unternehmen kann. In der europäischen Wirtschaftspolitik läuft derzeit einiges falsch, eine neue Politik ist notwendig. Mit dem erneuten Mitarbeiterabbau bei der Voith gibt es ja auch in St. Pölten die Notwendigkeit etwas zu ändern.
Was kann man tun, wenn ein Konzern mit Sitz in Deutschland dorthin seinen Fokus richten möchte?
Das Sinnvollste ist den Betriebsrat, der angekündigt hat dagegen vorzugehen, zu unterstützen. Weil das nicht nur für St. Pölten, sondern vor allem für die betroffenen Mitarbeiter katastrophal ist.
Während sich andere vom Kommunismus abgrenzen, trägt ihn die KPÖ im Namen. Schreckt das nicht auch ab?
Die Kommunismuskeule trifft alle, die irgendwie links sind. Das wirft man ja auch den Grünen vor, obwohl die weit weg von kommunistischen Positionen sind. Es ist eine Sache der Ehrlichkeit und Offenheit, dass wir immer noch als KPÖ antreten. Es stimmt natürlich, um bei der Vergangenheit zu bleiben, dass die KPÖ sich zum Teil mit Diktaturen auf ein Packerl gehaut hat – im Sinne falsch verstandener Solidarität. Aber unter dem Namen Kommunistische Partei ist auch sehr sehr viel Gutes in Österreich passiert, vor allem der antifaschistische Widerstand wurde zu 75 % von der KPÖ getragen, was noch immer Bedeutung hat.
Wurde die Vergangenheit genügend aufgearbeitet?
In der KPÖ ist sie definitiv den weitaus meisten bewusst. Die Aufarbeitung ist zu einem großen Teil passiert, sie passiert teilweise immer noch und ich würde sagen, dass die KPÖ ihre Geschichte sehr gut aufgearbeitet hat. Wenn man mit Leuten spricht, die damals dabei waren, merkt man das auch. Da gibts niemanden der „Yeah, Stalin!“ ruft. Aber dieser Aufarbeitungsprozess ist nach außen hin wenig kommuniziert und wahrgenommen worden. Also wenn man mit Leuten auf der Straße spricht, dann meinen die noch immer, dass bei der KPÖ im Keller die Stalin-Bilder hängen und sie von den DDR-Millionen lebt. Ist natürlich Blödsinn.
Zur Gegenwart: Gibt es Bestrebungen bei den Gemeinderatswahlen im nächsten Jahr anzutreten?
Ja, die gibt es. Es ist ziemlich sicher, dass wir antreten. Die Frage die sich stellt ist, in welcher Form wir antreten. Derzeit suchen wir nach möglichen Bündnispartnern, die den Wahlkampf mit und gemeinsam bestreiten, weil von null wieder reinkommen sehr schwer ist. Das letzte Mal sind wir ja 2001 angetreten.